Podcast über die Zukunft der Zukunft
FFS01E02 – Was ist die Zukunft, Herr Lesch?

FFS01E02 – Was ist die Zukunft, Herr Lesch?

IN DIESER FOLGE

Was ist Zeit aus Sicht der Physik?

Prof. Dr. Harald Lesch spricht in diesem Podcast darüber, was die Zukunft aus Sicht der Physik eigentlich ist.
Prof. Dr. Harald Lesch ist Professor für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München.

In dieser Episode erklärt uns der vielleicht berühmteste deutsche Physiker, was eigentlich Zeit und damit was Vergangenheit und Zukunft ist. Nein, nicht Albert Einstein, der wäre auch schwer in einen Zoom-Call zu bekommen. Ich spreche natürlich von Prof. Dr. Harald Lesch, den ihr und Sie bestimmt aus „Leschs Kosmos“ oder aus der Reihe „TerraX“ kennen. Dort erklärt der Physik-Professor was der Urknall ist oder was es mit der Stringtheorie auf sich hat.

In dieser Episode kann ich endlich einen Physik-Professor die Frage der Fragen stellen. Denn Zeit als solche hat mir schon immer Kopfzerbrechen beschert, seit dem ich mich mit Astronomie und Kosmologie beschäftige. Aber auch schon seit meinem Philosophie-Studium, von dem ich schon so viel vergessen habe, dass ich damit gar nicht mehr angeben kann:

Was ist eigentlich Zeit aus Sicht der Physik? Sind Uhren nicht einfach nur Apparate, die einen künstlichen, von Menschen gemachten Rhythmus zählen und hat die Zeit an sich eine Substanz, die die Physik messen kann? Gibt es einen Beweis für die Zeit?

Vergangenes erblicken, um Zukünftiges zu prognostizieren

Wenn im September alles klappt, wird eine Ariane-Trägerrakete ein Satellitenteleskop ins All befördern, dass es uns ermöglichen wird, so weit zu schauen, wie noch nie zuvor. Es ist der Nachfolger des Hubble Space-Teleskop, einem Teleskop, dass seit 31 Jahren im Orbit unserer Erde echte Dienste für die Wissenschaft geleistet hat. Der Nachteil: Da es sich ständig in Bewegung befindet, ist es echt schwer ein gutes Foto zu machen (wobei das Ding schon echt sehr geile Fotos gemacht hat!).

Mit dem James Webb Space-Teleskop soll dass deutlich einfacher sein, denn es wird sich an L2 befinden, einem Punkt 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde von der Sonne aus betrachtet, an dem es stabil bleiben kann. Damit kann es, abgeschirmt von der Strahlung der Sonne, so tief ins All schauen, wie noch nie zuvor. Und was es auffängt ist 13,8 Milliarden altes Licht. Das erste Licht, dass von etwas im Universum zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Und damit lässt sich dann, so erklärt es Harald Lesch, Aussagen darüber machen, was damals passierte. Erste Bilder des neuen Teleskops werden Anfang 2022 erwartet.

Wie wichtig dieses Teleskop für die Wissenschaften ist, zeigt diese Aussage von Lesch:

Die Vergangenheit ist das Einzige, was uns zugänglich ist. Von da kommen die Informationen. Von der Zukunft kommt nix.

Prof. Dr. Harald Lesch

Alles was wir messen, sind Informationen, die aus der Vergangenheit zu uns kommen und sind damit das einzige, womit Physiker rechnen können. Wir können nicht in die Zukunft blicken, weil von dort kein Licht „zurück“ kommt, würde vielleicht ein Astronom sagen.

Eine schiefe Ebene, auf der eine Kugel 50 Mal heruntergerollt ist, kann uns wertvolle Informationen liefern, da es passiert ist, also in der Vergangenheit liegt. Erst dadurch lässt sich einigermaßen sicher etwas in die Zukunft vorhersagen. Nämlich, dass sich die nächsten 50 Male ganz ähnlich verhalten werden. Doch je komplexer ein System wird und insbesondere hier auf der Erde, desto weniger gut lassen sich Vorhersagen machen. Der Grund: Reibung. Hier unten auf unserem Planeten reibt alles aneinander, während die Dinge im Weltall so weit voneinander entfernt sind, dass sie eher selten aneinander reiben (zum Beispiel in einem schwarzen Loch. Da ist die Reibung schon arg brutal). Die kosmologischen Prozesse lassen sich dadurch sehr viel einfacher vorherberechnen.

Alles eine Frage der Zeit

Alles eine Frage der Zeit
ISBN: 978-3-96238-248-3
Softcover, 272 Seiten
Erschienen am 16. März 2021 im Oekom Verlag.

Als Galileo Galilei vielleicht zum ersten Mal in seinem Experiment zur schiefen Ebene Zeit als etwas abstraktes, formalisiertes in einer mathematischen Formel verwendete, begann der Siegeszug der Physik. In den folgenden Jahrhunderten werden all die wissenschaftlichen Entdeckungen gemacht, die uns technologische Entwicklungen ermöglicht haben, auf denen unser Wohlstand aufbaut. Aber nicht ohne Preis. Die Art, wie wir seit Galileo Zeit verstehen und wie wir diese Beherrschbarkeit auf unsere Umwelt übertragen haben, bringt uns heute in eine existentielle Bedrohungslage.

Darüber handelt das Buch „Alles eine Frage der Zeit“, dass sich einreiht in viele Bücher, die sich aktuell mit der Zerstörung unseres Habitats beschäftigen, aber auf eine Dimension ein besonderes Augenmerk legt: Die Zeit.

„Statt ihn auf dieses memento futuri zu beschränken, sollten wir uns anschauen, wie eng unser Umgang mit Zeit mit der herrschenden Verschleißkultur zusammenhängt.“ leitet das Buch ein. Das Buch thematisiert eine Monokultur der Uhrzeit. Es fordert, dass „Zeit ist Geld“ wieder weniger wichtig wie die „Naturzeit“ werden muss, also die Zeit, die die Natur braucht, um sich zu regenerieren.

Drei Autoren geben in „Alles eine Frage der Zeit“ ihren Blickwinkel in das Thema. Harald Lesch übernimmt die Rolle des Wissenschaftlers, der erklärt, wie es um die Natur steht. Aber mit einem spannenden Aspekt, den man so selten zu hören bekommt: Unserem Energieverbrauch. Lesch zeigt eindrucksvoll, wie energetisch verfettet die Gesellschaft ist, sozusagen an Energie-Adipositas leidet. Denn obwohl zum Beispiel die Geräte immer effizienter werden, nimmt der Energieverbrauch zu, was vor allem daran liegt, dass wir immer mehr Geräte haben.

Die beiden anderen Autoren sind Vater und Sohn, Karlheinz und Jonas Geißler. Der Vater: Ein emeritierter Professor für Wirtschaftspädagogik und Zeitforscher, dessen Aufgabe es ist, vor allem historisch zu argumentieren. Er verfällt bisweilen in idealistische Kulturkritik, die etwas zu sehr nach persönlicher Meinung klingt. Der Sohn: Ein Speaker, Berater und Autor, der sich selbst „Zeitraumgestalter“ nennt, der die zuvor dargestellten Probleme mit konkreten Lösungsansätzen zu ergänzen weiß. Insgesamt ein lesenswertes Buch mit einem sehr speziellen Fokus auf unsere aktuelle Ökokatastrophe, deren Verursacher vor allem wir Menschen mit unserem aus dem 18. Jahrhundert geprägtem Zeitverständnis sind.


TECHNISCHE DETAILS

Musik in dieser Episode

  • [00:00:00] „epic universe project 2 – la grange Punkt 2-2“ von Thomas Riedel
  • [00:02:46] „epic universe Project 4 intro“ von TR
  • [00:03:21] „Record Needle Scratches.wav“ von mikala_oidua
  • [00:14:43] „epic universe project 3“ von TR
  • [00:17:18] „jazzy mouthbeats“ von TR
  • [00:23:11] „Hang Binaural“ von Mindseye
  • [00:26:24] „vorhersage_lesch“ von TR
  • [00:27:50] „sphärischer Rhytmus – 03-12-2020“ von TR

Verwendete Bilder:

  • Harald Lesch bei der Auszeichnung mit dem Deutschen Fernsehpreis (2018), © Superbass / CC BY-SA 4.0
  • Alles eine Frage der Zeit Buchcover © Oekom Verlag

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